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Forschung an unserer Klinik

Der Erfolg und das Renommee des Standortes Bonn in der Epilepsieforschung beruht zum großen Teil auf der engen Verknüpfung wissenschaftlicher und klinischer Fragestellungen, die zur Etablierung weltweit anerkannter Arbeitsgruppen um die Klinik und Poliklinik für Epileptologie geführt hat. Die Arbeitsgruppen und Labore sind u.a. an der Klinik und Poliklinik für Epileptologie, dem Institut für Experimentelle Epileptologie und Kognitionswissenschaften, der Sektion für translationale Epilepsieforschung (Institut für Neuropathologie), der Life & Brain GmbH sowie am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) ansässig. Sie vereinen ein einzigartiges Spektrum an neurowissenschaftlichen Methoden und Fragestellungen, die von modernsten in-vivo Technologien auf zellulärer Ebene in Mensch und Tier bis hin zu theoretisch-mathematischen Verfahren reichen. Eine horizontale und vertikale Durchflechtung von Arbeitsgruppen und Forschungsfeldern schafft Synergieeffekte, die die Translation von Erkenntnissen aus dem Labor in die klinische Umsetzung zugunsten der Patienten*innen fördern.

Publikationen

Arbeitsgruppen

Auch heute eröffnen die Epilepsien außergewöhnliche Einblicke in die Funktionsweise des Gehirns. Wesentliche Erkenntnisse über wichtige Hirnfunktionen des Menschen wie z. B. Sprache oder Gedächtnis verdanken wir der Forschung mit Menschen mit Epilepsie. Unsere Klinik sieht sich in der jahrzehntelangen Tradition einer möglichst engen Verknüpfung von grundlagenwissenschaftlicher und klinischer, d. h. anwendungsorientierter Forschung. Dies wird an den zentralen Forschungsfeldern und Themen unserer wissenschaftlichen Arbeitsgruppen deutlich.


Mechanismen der Anfallsentstehung

Wir möchten besser verstehen, wie epileptische Anfälle im Gehirn entstehen.

  • Die AG Lehnertz entwickelt physikalisch-mathematische Methoden zur Analyse der umfangreichen, tagtäglich in unserer Klinik vor, während und nach Anfällen aufgezeichneten EEG-Daten.
  • Die AG Mormann untersucht diese Prozesse mithilfe von Einzel-Zell-Ableitungen (genauer: single unit recording) bei Patienten, die eine invasive präoperative Diagnostik mit implantierten Tiefenelektroden durchlaufen.
  • Die AG Rüber prüft mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) chronische und akute Effekte von Anfällen auf das Gehirn (z. B. Schädigung der Blut-Hirn-Schranke).
  • Die AG Wenzel erforscht mittels zellulär auflösender Intravital-Mikroskopie, Feldelektrophysiologie, Optogenetik, und Verhaltensanalyse in Kollaboration mit anderen Arbeitsgruppen grundlegende Mechanismen der Anfallsentstehung und -ausbreitung im Tiermodell und Menschen.

Anfallsdetektion und -prädiktion

Aus mehreren Studien unserer Klinik geht klar hervor, dass Menschen mit Epilepsie im Durchschnitt lediglich die Hälfte aller ihrer Anfälle bemerken, wobei vor allem nächtliche Anfälle häufig unbemerkt bleiben. Dies ist ein Problem für die objektive Beurteilung der Anfallskontrolle und für die wissenschaftliche Beurteilung der Wirkung neuer Therapien (z. B. in klinischen Studien).

  • Die AG Klinische Epilepsieforschung arbeitet seit mehreren Jahren intensiv an der Entwicklung mobiler, technischer Systeme für die automatische Erkennung und Dokumentation epileptischer Anfälle.
  • Die AG Lehnertz entwickelt und nutzt fortschrittliche Analyseverfahren, um automatisiert im EEG Anfälle zu finden und vielleicht sogar eines Tages mit hoher Treffsicherheit vorherzusagen.

Genetische und immunvermittelte Epilepsien

Jede Schädigung des Gehirns kann prinzipiell zu einer Epilepsie führen. Die Behandlungsoptionen und Prognose hängen zum Teil von der zugrundeliegenden Ursache ab. Die Klinik und Polklinik für Epileptologie verfügt über eine besondere Expertise in der Diagnostik, Therapie und Erforschung seltener genetisch und autoimmun verursachter Epilepsien. Wir sind Kooperationspartner bei verschiedenen multizentrischen Studien zu genetischen Ursachen von Epilepsien, und Vollmitglied beim europäischen Referenznetzwerk für seltene und komplexe Epilepsien (ERN EpiCARE).

  • Die AG Klinische Epilepsieforschung phänotypisiert Betroffene mit genetischen und autoimmun-vermittelten Epilepsien und untersucht die Therapieantwort in Abhängigkeit von der Ursache und Merkmalen der Erkrankungen (Dr. T. Baumgartner).
  • Die AG Kunz untersucht die Erbinfomation Betroffener mit verschiedenen Epilepsieformen auf Genvarianten.
  • Die AG Pitsch untersucht mit experimentellen Verfahren in Zellkultur und im Tiermodell Mechanismen der autoimmun vermittelten Epilepsien und identifiziert neue Autoantikörper in Serum und Liqour von Menschen mit Autoimmunenzephalitden (in enger Kooperation mit Prof. Albert Becker, Sektion translationale Epilepsieforschung, Institut für Neuropathologie).
  • Die AG Rüber untersucht mittels hochauflösender MR-tomographischer Verfahren und Bildnachbearbeitungsverfahren, wie beispielweise fokale kortikale Dysplasien besser dargestellt und entdeckt werden können, und welche Auswirkungen immunvermittelte Epilepsien auf das gesamte Gehirn haben.

Biomarker epileptischer Anfälle

Epileptische Anfälle lösen eine Kaskade pathophysiologischer Prozesse im gesamten Organismus aus, die sich z. B. im Blut nachweisen lassen oder die zu messbaren Veränderungen physiologischer Biomarker (wie Herzrate, elektrische Hautleitfähigkeit) führen. Diese sogenannten Biomarker des Anfallsgeschehens ermöglichen ein tieferes Verständnis der zugrunde liegenden Anfallsmechanismen und sie können für die Unterscheidung von epileptischen und nichtepileptischen Anfällen nützlich sein. Die AG Klinische Epilepsieforschung untersucht zirkulierende Biomarker im Blut und physiologische Marker mittels mobiler Gesundheitstechnologien.


Autonome Störungen und vorzeitige Sterblichkeit bei Epilepsien

Epileptische Anfälle können akut (also während des Anfalls) und chronisch (durch dauerhafte Veränderungen, die durch häufig wiederkehrende Anfälle verursacht werden) die Eigenschaften des autonomen Nervensystems (kontrolliert u.a. Herztätigkeit, Blutdruck, Atmung) verändern. Solche Veränderungen können wiederum das Risiko, plötzlich und unerwartet zu versterben, erhöhen (durch sog. SUDEP, oder plötzlichen Herztod). Die AG Klinische Epilepsieforschung beschäftigt sich seit vielen Jahren mit anfallsassoziierten Veränderungen von Herz, Kreislauf und Atmung, und mit den Fragen, wie solche Veränderungen positiv beeinflusst und zur automatisierten Anfallsdetektion eingesetzt werden können.


Bildgebung des Gehirns bei Epilepsie

Neuroradiologische Methoden sind heute für die Diagnostik und Behandlung schwer behandelbarer fokaler Epilepsien von besonderer Bedeutung, vor allem bei der Einschätzung und Planung epilepsiechirurgischer Eingriffe nehmen bildgebende Verfahren mittlerweile eine herausragende Rolle ein. Die AG Rüber arbeitet an fortgeschrittenen Analyseverfahren für ganz unterschiedliche Daten aus der Magnetresonanztomographie (MRT), z.B. Daten über die Verbindungen zwischen Hirnstrukturen oder über die Größe und das Volumen bestimmter Hirnareale. Die Auswertungen erfolgen zunehmend automatisiert auf der Basis von machine learning bzw. künstlicher Intelligenz. Auch die akuten Effekte des Anfallsgeschehens auf die Hirnstruktur sollen mithilfe der MRT genauer untersucht werden.


Klinische Medikamenten- und Therapiestudien

Seit vielen Jahren beteiligt sich die Klinik an multizentrischen, teils internationalen, randomisierten placebo-kontrollierten Studien zu Antiepileptika oder Medizingeräten (z. B. Vagusnerv-Stimulator). Dies betrifft Wirksamkeits- und Verträglichkeitsvergleichsstudien von bereits zugelassenen Präparaten, viel häufiger aber Medikamente, deren Zulassung erst für die nächsten Jahre erwartet wird (sog. Phase III-Studien). Patienten haben die Möglichkeit, diese Medikamente bereits im Rahmen solcher Studien auszuprobieren (und bei Erfolg auch weiterhin zu erhalten).


Komplementäre Therapieverfahren

Die AG Komplementäre Therapieverfahren beschäftigt sich mit Therapieansätzen, die vor allem bei schwer behandelbarer Epilepsie zur Linderung von Anfallserkrankungen eingesetzt werden; in seltenen Fällen wird jedoch auch Anfallsfreiheit erreicht. Zurzeit werden als komplementäre Verfahren vor allem das Cannabidiol, die Vagusnerv-Stimulation, die transkranielle elektrische Stimulation (EEASE) und die ketogene Diät eingesetzt. Die AG untersucht auch in Kooperation mit der AG Helmstaedter die kognitiven Effekte einer Reduktion der drug load, d. h. der Anzahl der einzunehmenden Antiepileptika, in Fällen, in denen dies vertretbar erscheint.


Bewusstsein und Gedächtnis

Bewusstsein ist die Voraussetzung für das Auftreten psychischer Phänomene (Empfindungen, Gefühle, Gedanken usw.). Bei epileptischen Anfällen treten sehr häufig Bewusstseinsstörungen und vollständige Bewusstseinsverluste auf; diese tragen ganz erheblich zu den Einschränkungen im Alltag bei, die viele Betroffene infolge ihrer Anfälle erleiden. Auch wenn das Bewusstsein "nur" gestört ist, können sich Patienten sehr häufig nicht an den Anfall erinnern, das Gedächtnis setzt aus.

  • Die AG Fell untersucht ebenfalls mit invasiven EEG-Ableitungen die elektrophysiologischen Grundlagen von Gedanken und Gefühlen, sowie von Gedächtnisprozessen. Ein wichtiges Forschungsfeld ist z. B. das sogenannte mind wandering, d. h. das vorbewusste Umherschweifen mit den eigenen Gedanken.
  • Die AG Helmstaedter untersucht die Gedächtnisleistungen von Menschen mit Epilepsie vor und nach einem epilepsiechirurgischen Eingriff sowie vor und nach einer Umstellung der medikamentösen Therapie. Dazu wurden eigene Testverfahren entwickelt, die heute von sehr vielen Kliniken in Deutschland und in anderen Ländern eingesetzt werden (VLMT, EpiTrack/EpiTrack Junior).
  • Die AG Mormann untersucht mithilfe von Einzel-Zell-Ableitungen (genauer: single unit recording) bei Patienten, die eine invasive präoperative Diagnostik mit implantierten Tiefenelektroden durchlaufen, die Prozesse, die dazu führen, dass uns bestimmte Inhalte bewusst werden (d. h. dass wir über sie nachdenken) und wir sie uns dann auch merken können.

Psychische Aspekte bei Anfallserkrankungen

Die Psychologie untersucht das Leistungsvermögen, das Befinden und die Persönlichkeit von Menschen. Die Neuropsychologie beschäftigt sich mit den psychischen Effekten von Hirnerkrankungen. Epilepsien können das Leistungsvermögen beeinflussen, insbesondere werden häufig Gedächtnisprobleme beklagt. Aber auch Depressionen und erhöhte Ängstlichkeit treten bei Epilepsien häufig auf. Die AG Helmstaedter ist für die klinisch-neuropsychologische Untersuchung der Patienten verantwortlich und erforscht die psychischen Folgen der Epilepsie auf den unterschiedlichen Ebenen. Des Weiteren werden innovative verhaltensmedizinische Therapieansätze erforscht (z.B. Biofeedback/Neurofeedback-Training bei Epilepsie). Das Forschungsprogramm erstreckt sich auf Patienten mit epileptischen und nichtepileptischen Anfällen.


Funktionelle nichtepileptische Anfälle

Bis zu 20% der unserer Klinik neu zugewiesenen Patienten leiden nicht an einer Epilepsie, sondern an Synkopen oder nichtepileptischen Anfällen (auch funktionelle Anfälle genannt). Diese Anfälle lassen sich grundsätzlich nicht mit Antiepileptika kontrollieren. Sehr häufig liegt in diesen Fällen – biografisch oder akut in der Situation – eine ungünstige psychische Konstellation vor, die das Auftreten der Anfälle erklären kann. In diesen Fällen kann man von psychogenen (d.h. psychisch bedingten) oder dissoziativen Anfällen sprechen.

Wir führen mit Partnern aus Industrie und akademischer Forschung Studien in allen Phasen der Erkrankung durch. Seit 2001 waren wir an mehr als 30 klinischen Studien erfolgreich beteiligt.

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine spezielle Ausbildung in ICH GCP und den regulatorischen Anforderungen zur Durchführung klinischer Studien. Für jede Studie stehen zwei Vollzeit-Studienärzt*innen sowie zwei Study Nurses zur Verfügung.

Aktuelle ambulante klinische Studien (Auftragsforschung) zu neuen Antiepileptika/ Medizinprodukten bei Epilepsie:
  • Padsevonil
    (EP0091 – EP0093 / Phase 2 / 3)
  • Vote
    (EP0076 / Phase 4) Beobachtungsstudie
  • EASEE II
    EASEE System (Epicranial Application of Stimulation Electrodes for Epilepsy) to treat medically refractory focal epilepsy. Phase 1 MPG
  • XPF-008-201 in Planung, Phase 2
Mitarbeiter*innen:

Study Nurses:
Ines Goebel
Sylke Schaffranek

Projektleitung:
Birgitta Esser

Prüfärzt*innen:
Arthur Jordan
Dr. Susanna Moskau-Hartmann
PD Dr. Randi von Wrede
Dr. Michael Rademacher

Leitung der Prüfgruppe:
Prof. Dr. med. Rainer Surges, MHBA

Kontakt:

Studienambulanz
Tel.: 0228 287-15748
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Aktuell laufende drittmittelgeförderte Forschungsprojekte:
 
  • European Research Council: ERC Starting Grant (2022 - 2027)
    Targeting epilepsy with phototherapeutics
     
  • Landesregierung  NRW (2022 - 2026)
    iBehave - To define the structure of natural flexible behaviors and their neuronal implementation
     
  • BMBF (2022 - 2025)
    AUTONOMIC - Entwicklungsbedingte Auswirkungen von Epilepsie auf die autonomen Funktionen beim Dravet-Syndrom
     
  • DFG (2021 - 2025)
    SFB1089 Synaptic Micronetworks in Health and Disease
     
  • DFG (2021 - 2025)
    Dissociating neuronal representations of contents and texture along the ventral visual processing stream in the human temporal lobe
     
  • DFG (2021 - 2025)
    Memory consolidation during sleep and waking state at the level of single neurons in the human medial temporal lobe
     
  • Walter und Marga Boll Stiftung (2021 - 2024)
    Bewusstseinssignale für die Intensivmedizin: Aktivitätsinduzierte Veränderungen von EEG-Netzwerkparametern zur Vorhersage der Erholung vom „Wachkoma“
     
  • DFG (2020 – 2023)
    Neuronal representation of semantic information in the human temporal lobe
     
  • BMBF (2020 - 2023)
    DeepHumanVision – Deep neural networks for understanding how populations of neurons in the human brain encode visual information
EpiCARE: ein europäisches Referenznetzwerk für seltene und komplexe Epilepsien

Die Bonner Klinik und Poliklinik für Epileptologie ist Teil des europäischen EpiCare-Netzwerks.

Von den Mitgliedern des EpiCARE-Netzwerks werden Methoden für hochspezialisierte Diagnostik und Pflege entwickelt und bereitgestellt, um Therapien und Behandlungsergebnisse bei Menschen mit seltenen und komplexen Epilepsien zu verbessern.
EpiCARE ist eines der 24 Europäischen Referenznetzwerke (ERNs), die vom ERN-Board der Mitgliedsstaaten genehmigt wurden. Die ERNs werden von der Europäischen Kommission finanziell gefördert.

Weitere Informationen zu EpiCARE finden Sie hier.

 
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